Eine in der Fachzeitschrift „The Lancet Respiratory Medicine“ veröffentlichte Studie sorgt aktuell für großes Aufsehen. Demnach soll der Wirkstoff Budesonid, der in vielen Asthma-Inhalatoren enthalten ist, im Frühstadium einer SARS-CoV-2-Infektion dazu beitragen, die Zeit bis zur Genesung zu verkürzen und schwere Verläufe zu verringern. Doch Expertinnen und Experten warnen vor zu hohen Erwartungen.
Um eine breite Anwendung zu empfehlen, sei diese Studie nicht aussagekräftig genug, erklärt die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) in einer gemeinsamen Stellungnahme mit der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) und der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI).
Entzündungshemmende inhalierbare Cortisonpräparate (Fachbegriff: inhalative Glukokortikoide oder Corticosteroide; Abkürzung: ICS) werden seit langem in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Asthma sowie als Zusatztherapie bei COPD eingesetzt. In der Asthma-Therapie stellen ICS den wichtigsten Baustein dar. Alle epidemiologischen Studien zeigen übereinstimmend, dass Patienten mit Asthma bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 nur selten schwer an COVID-19 erkranken und kein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe haben. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass eine ICS-Therapie bei Patienten mit Asthma einen zusätzlichen Schutz vor schweren SARS-CoV-2-Infektionen bietet.
In der aktuell publizierten STOIC-Studie aus Großbritannien wurde nun untersucht, ob auch bei Patienten ohne Asthma (84 bis 86 Prozent der Patienten hatten kein Asthma) eine SARS-CoV-2-Infektion günstig beeinflusst wird, wenn Betroffene zweimal täglich ein handelsübliches Asthma-Medikament (Budesonid) im Frühstadium der Erkrankung inhalieren. Das Ergebnis: Die Dauer der Symptome konnte um einen Tag verkürzt und die Häufigkeit von Arztbesuchen reduziert werden.
Doch dieses Ergebnis ist nur bedingt aussagekräftig. „Zwar handelt es sich bei der Studie um eine randomisierte, aber nicht um eine verblindete Studie. Das heißt, die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer sowie die behandelnden Ärztinnen und Ärzte wussten, ob das ICS inhaliert wurde oder nicht. Ein erheblicher Placebo-Effekt ist hier also möglich“, erklärt Professor Dr. med. Marek Lommatzsch, Oberarzt der Abteilung für Pneumologie des Zentrums für Innere Medizin der Universitätsmedizin Rostock. „Zudem handelt es sich um eine Studie mit vergleichsweise wenigen Studienteilnehmern, und die in der Studie eingeschlossenen Patienten mit Asthma können zu dem positiven Ergebnis beigetragen haben“, ergänzt Professor Dr. med. Klaus F. Rabe, Chefarzt der LungenClinic in Grosshansdorf.
Um mögliche positive Wirkungen des Medikaments bei COVID-19 zu bestätigen, müssten weitere, größere und verblindete Studien durchgeführt werden. „Auf Basis der STOIC-Studie können derzeit keine Empfehlungen für eine allgemeine ICS-Behandlung von Patienten mit COVID-19 ausgesprochen werden“, so Professor Dr. med. Roland Buhl, Leiter der Abteilung für Pneumologie der Universitätsmedizin Mainz. Den Menschen mit Asthma oder COPD, die bereits dauerhaft mit inhalativen Corticosteroiden behandelt werden, empfehlen die Pneumologen nach wie vor, diese Therapie während der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie und im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung fortzuführen. Die aktuelle STOIC-Studie dürfe in keinem Fall dazu führen, dass ICS nicht mehr in ausreichenden Mengen für Menschen mit Asthma oder COPD zur Verfügung stünden.
Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V., 20. April 2021